„Die Zukunft der
Menschheit liegt in der Luft, nur zwischen den Wolken kann der Mensch sich von
den engen Banden der irdenen Scholle befreien. Nur in den Himmeln gibt es keine
Landesgrenzen und der Mensch ist wahrhaft frei.“
Sir Cuthbert McDougal
Die schwarz gekleidete
Gestalt machte kein Licht und ließ den scharfen Strahl der kleinen Lampe immer
nur kurz aufflammen, um in den engen staubigen Regalreihen des Archivs nicht
ganz irre zu gehen.
Kein Geräusch war auf dem
teppichbelegten Boden zu hören. Der Schatten dieses stillen Wesens war nur zu
erahnen, wenn er kurz in das spärliche Licht der Notbeleuchtung kam. Doch das
dauerte nicht länger als einen Herzschlag und jeder Betrachter hätte es für
eine Täuschung der Sinne gehalten.
Der Schatten sah sich um,
er wusste noch genau wie der Kasten aussah, wie lange sie nach dem Inhalt
gesucht, und wie vorsichtig sie ihn vor all den Jahren versteckt hatten.
Niemand hatte seitdem versucht das verwunschene Ding anzufassen oder gar zu
finden, doch nach der letzten Konferenz änderte sich das schlagartig und der
Kristall war wieder vor aller Augen gezeigt worden. Danach kam es zu einer Serie
seltsamer Unfälle, die seinem Gefühl nach gar keine waren. Gerüchte machten
ihre finstere Runde, die nicht zu ignorieren waren und er musste sichergehen,
er musste einfach nochmal nachschauen. Wenn ihre Vorahnung stimmte war das
eingetreten, was die Älteren schon lange befürchteten.
Seine schwarzen
Handschuhe betasteten die Regale, blätterten sanft durch den Staub der Ordner
aus alten Tagen, schoben vorsichtig die kleinen Kästchen, die leider allesamt
nicht die Richtigen waren wieder an ihren Platz zurück.
Wo hatten die alten
Geheimniskrämer den kleinen Holzkasten nur wieder hingestellt?
Diesmal ließ er den
Strahl seiner Lampe länger leuchten und trotz seiner Unruhe viel langsamer über
die Regale gleiten. Der Schatten konzentrierte sich den gesuchten Gegenstand
bildlich vor sich zu sehen obwohl seine Augen noch nichts fanden.
Er konnte ihn schon fast
fühlen.
Da war er!
Der scharfe Strahl seiner
Lampe blieb ruckartig an einem Ornament kleben.
In der hinteren Reihe
links im dunkelsten Schatten versteckt hinter ein paar künstlich eingestaubten,
unechten Ordnern war der kleine Kasten. Der war immer noch mit einem alten,
mechanischen Schloss versehen, also kein Hindernis für ihn.
Nach ein bisschen
freundlichem Zureden mit seinen kleinen Metallstiften gab die Verriegelung nach
und der Deckel sprang lautlos auf.
Das sanfte Blau des
Steins leuchtete ihm matt entgegen, der Schatten hob den Kristall hoch hielt
ihn in den harten Strahl seiner Lampe damit sich das Licht in den Facetten
brechen konnte.
So drehte er den Kristall
langsam hin und her, nach einer bestimmten Färbung suchend, denn sie kannten
sich schon lange, noch von damals als er das erste Mal nach dem Kristall gejagt
hatte.
Es war schwer gewesen ihn
dem Vorbesitzer zu entreißen, denn der hatte gekämpft wie ein Wahnsinniger.
Zwei andere der Schatten waren schwer von dem Dieb verletzt worden nachdem er
den Boten wegen des Kristalls sogar getötet hatte. Es war eine wilde Hatz durch
halb Paris geworden, aber es hatte dem Mörder nichts genützt, der Kristall war
sichergestellt worden.
Gute Männer hatten sie
damals verloren und manch einen könnte man auch heute noch dringend brauchen.
Die Verfärbung fehlte.
Einem Impuls folgend warf
der schwarz Gekleidete den Kristall hoch, fing ihn auf und fluchte leise vor
sich hin.
Die Lichtspur die der
echte Kristall machen sollte fehlte auch, also war passiert, was nie hätte
geschehen dürfen.
Hastig steckte er das
Imitat zurück, verriegelte den Kasten erneut, stellte alles wieder so hin als
wäre kein Besuch dagewesen. Für den Wunsch nicht nachgesehen zu haben war es
jetzt zu spät. Mit schnellen, kaum hörbaren Schritten verschwand der Schatten
aus dem Archiv und hastete den langen Gang entlang. Er brauchte kein Licht für
diesen Weg, den fand er auch so.
Nur eines zählte jetzt,
so schnell wie möglich zu ihr zu gelangen.
Denn wie von ihr
befürchtet, hatte es nun begonnen…
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